In dieser Weihnachtszeit hebt der Bundesverband Tierschutz e.V. ein bedeutsames Thema hervor: Die Problematik des Schenkens von Haustieren während der Festtage.
Im Gespräch mit Claudia Lotz vom Bundesverband Tierschutz e.V., einer führenden Stimme im Tierschutz und eine der Tierschutz-Dachorganisationen in Deutschland, beleuchten wir diese Thematik.
Claudia Lotz erörtert die tieferliegenden Probleme, die mit dem Verschenken von Tieren einhergehen, die damit verbundenen Auswirkungen auf das Wohl der Tiere und die resultierenden Herausforderungen für Tierheime.
In diesem Interview erfährst du, weshalb ein Haustier nicht als Geschenk geeignet ist und wie man diese verbreitete Praxis verhindern kann.
Was sind die wichtigsten Gründe, warum der Bundesverband Tierschutz e.V. davon abrät, Tiere zu Weihnachten zu verschenken?
Claudia Lotz: Ein Tier ist kein Geschenk! Kinder wünschen sich zwar gerade zu Weihnachten ein Tier, aber die Gefahr, dass das „Geschenk“ schnell seinen Reiz verliert, ist enorm groß.
Wenn in der Familie vor dem Fest besprochen wird, wie viel Verantwortung das Halten von Hund, Katze oder Kleintier bedeutet, dann können die Eltern schon mal ein Zeichen setzen, indem sie keinen Welpen und keine Babykatze und kein junges Kaninchen unter den Weihnachtsbaum setzen.
Außerdem ist Weihnachten mit Silvester eine „Ausnahmezeit“. Gerade jetzt sollte kein Jungtier neu ankommen müssen, da bieten sich ruhige Zeiten mit – wie gesagt – ausreichend Bedenkzeit und guter Vorbereitung auf das Tier an.
Hinzu kommt: Tieren wird – gerade über die sozialen Medien mit Instagram, TikTok und Co – sehr viel Würde abgesprochen. Lächerliche Tierdarstellungen, verkleidete und gehandicapte Tiere sollen Likes hervorrufen. Indem man zu Weihnachten Tierkinder mit Schleifen um den Hals zu „Weihnachtsgeschenken“ macht, macht man dasselbe. Man nimmt ihnen die Würde als eigenständiges Lebewesen.
Kannst du spezifische Beispiele nennen, wie sich das Verschenken von Tieren negativ auf ihr Wohlergehen auswirkt?
Claudia Lotz: Die Aufmerksamkeit, das dem lebenden Geschenk zu Weihnachten und die ersten Wochen danach zuteilwird, nimmt erfahrungsgemäß rapide ab!
Plötzlich ist das Tier anstrengend, nicht mehr nur „süß“, sondern auch lästig. Will raus, braucht Beschäftigung, macht überall hin, zerbeißt alles … was Weihnachten noch „witzig“ war, der Welpe mit Weihnachtsschleife zerbeißt das Geschenkpapier, die junge Katze springt nach den Tannenbaumzweigen etc. etc., wird im Alltag nun als „Stressfaktor“ empfunden.
Das merken die Tiere natürlich.
Ihr Verhalten ruft plötzlich kein Wohlwollen mehr hervor, sondern sorgt für Ärger. Außerdem geht der Alltag wieder los, Job, Schule, Freizeit … wenn hier nicht besprochen wurde, wer sich wann und wie konsequent und zuverlässig um das Tier kümmert, ist das der erste Schritt zum Gedanken, das Tier wieder „loswerden“ zu wollen.
Hinzu kommt, dass ein als „stressig“ empfundenes Tier meist ungerecht behandelt wird. Dass der Welpe immer noch nicht stubenrein ist, nicht hört, an der Leine zieht – wird meist nicht als Versäumnis bei sich selbst erklärt, sondern mit dem Verhalten des „doofen“ Hundes. Er „will“ nicht lernen, ist „frech“, ist eine „Nervensäge“ und vieles mehr.
Wie beeinflusst das Verschenken von Tieren die Kapazitäten und Herausforderungen von Tierheimen und Tierschutzvereinen nach den Feiertagen?
Claudia Lotz: Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil es in der Regel noch zu früh für die Trennung vom Tier ist. Im Januar sind die Tier-Geschenke ja erst wenige Wochen in ihren neuen Familien. Endgültige Trennungen erfolgen meist, wenn echte Probleme – wie Pubertät oder Geschlechtsreife mit Läufigkeit oder Rivalität zu anderen Rüden – auftreten. Relativ schnell werden verschenkte Kaninchen in den Tierheimen abgegeben, weil der Käfig im Kinderzimmer stört oder der Urin im Stroh riecht oder die Kinder das Kleintier „langweilig“ finden, das sich in der Käfigecke verkriecht, Angst hat oder beißt.
Und Tierheime vermitteln ja nicht in der Vorweihnachtszeit! Da gibt es also keine Rückgaben.
Welche Maßnahmen empfiehlt der Bundesverband Tierschutz, um das unüberlegte Verschenken von Tieren zu verhindern?
Claudia Lotz:
- Dasselbe, was man früher getan hat! Sich ausführlich über die Bedürfnisse und das Verhalten der Tiere zu informieren, die man sich ins Haus holen möchte. Wenn man tolle Sachbücher von bekannten Verhaltensforschern, Hundetrainern oder Tierverhaltensberatern zu Weihnachten verschenkt, dann zeigt man den Kindern, dass jedes Tier eine große Aufmerksamkeit verdient. Und dass sich darum die Kinder erst schlau lesen müssen, um festzustellen, was alles auf sie zukommt bei der Haltung eines Tieres.
- Züchter müssten Verkaufsstopps zu Weihnachten und Silvester und Ostern erklären, um schon gleich den Leuten deutlich zu machen, dass Tiere keine Geschenke sind.
- Verbindlicher Verkaufsstopp im Internet für lebende Tiere.
- Man könnte in der Familie einen „Fahrplan“ aufstellen: Die Kinder sollen über einen längeren Zeitraum zeigen, dass sie fähig zur Verantwortung sind. Man diskutiert die Tierhaltung nicht nur einmal, sondern über einen Zeitraum von Wochen, man hilft Nachbarn beim Hüten von Hund, Katze und Kleintier, man besucht das Tierheim und hilft vielleicht sogar ehrenamtlich?
Welche Botschaft möchtest du an Menschen richten, die erwägen, ein Tier zu Weihnachten zu verschenken?
Claudia Lotz: Abgesehen von oben Gesagtem ist Weihnachten purer Stress für verschenkte Tiere. Aufregung, Besucher, Musik, Essensgerüche, Unruhe … keiner kann in den Feiertagen einem Jungtier gerecht werden!
Weihnachten soll ein Fest der Liebe sein – das muss auch für Tiere gelten. Man sollte kein Tier als „Geschenk“ missbrauchen, sondern als Lebewesen achten. Und dazu gehört eben eine umfangreiche Vorbereitungszeit mit Informationen über die Bedürfnisse, die ein Tier hat.
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